Paris Brest Paris 2019

Vom 18.08.2019 startete ich mit meinem guten Kumpel Tobias Frischmann beim legendären Langstreckenradmarathon Paris-Brest-Paris. Dabei geht es darum innerhalb eines Zeitfensters von 90 h die Strecke von Rambouillet nach Brest und wieder zurück über eine Strecke von 1219 Km zu absolvieren.
Lediglich 41 Randonneure aus Sachsen und 681 aus Deutschland standen dabei in den Startreihen dieses einzigartigen Events. Nachfolgend schildere ich meine Erlebnisse während der Reise nach Frankreich, des Events und wie es uns auf dem Weg zurück nach Deutschland ergangen ist.

Hinweise

Am Anfang möchte ich mit ein paar Hinweisen meinen Bericht über Paris Brest Paris beginnen.
Ich habe ein paar Kapitelüberschriften eingefügt,um das ganze etwas zu gliedern.
Die Reihenfolge der Ereignisse in der sie ggf. dargestellt werden ist nicht 100% sicher. Die Chronologie geht mit dem enormen Schlafentzug irgendwann gedanklich verloren.
Ich kann keinem eine Empfehlung aussprechen Paris Brest Paris zu fahren, denn was wir hier gemacht haben ist sicher nicht gesund und eine elende Schinderei.
Ich werde aber auch keinem davon abraten Paris Brest Paris zu fahren, weil jemand der von dem Gedanken beseelt ist es zu fahren wird nicht davon abzubringen sein, außerdem ist es ein absolutes Erlebnis, welches ich persönlich nicht vermissen wöllte.
Ich werde nicht erzählen, dass ich nie wieder PBP fahren werde. Damit macht man sich unglaubwürdig, wenn man in 4 Jahren wieder am Start steht. Schon jetzt verzehrt meine Erinnerung die Erlebnisse ins Positive.
Keine meiner Schilderungen kann den Eindruck von PBP komplett beschreiben. Wer es genau wissen will muss es selber fahren.

Vorgeschichte

Die Geschichte von PBP fängt bei mir in der Jugend an. Ich und mein Bruder haben schon dort darüber gesponnen, dass das einfach auf die Liste gehört die man als ambitionierter Radfahrer gefahren sein sollte. Wir informierten uns damals schon über die Qualifkation zum PBP und waren uns sicher irgendwann dieses Monster von radsportlichem Wahnsinn auf uns zu nehmen.
Seitdem ist viel Zeit ins Land gestrichten und wir haben uns in unterschiedlichen Jahren dem Projekt Fichkona gewidmet. Mein Bruder hatte danach Knieprobleme und ich bin nach Fichkona im Alter von 20 Jahren in ein sportliches Motivationsloch gefallen, aus welchem ich erst Jahre später wieder komplett herausgekommen bin. Mit 20 Jahren denkt man halt noch man ist unbesiegbar und macht nach solchen Events nicht die notwendigen Pausen. Außerdem ist es nicht empfehlenswert in dem Alter solche Distanzen zu fahren (das glaubt man aber auch erst wenn man älter ist). Ich war mir seitdem sicher nichts mehr längeres als mal 200 Km fahren zu wollen.
2014 haben wir (mein jüngerer Bruder, Tobias und ich) einfach mal an einem 200 Km Brevet teilgenommen und wir stellten fest das geht noch recht gut und es macht uns Spaß.
Kurz überlegte ich 2015 Paris Brest Paris in Angriff zu nehmen verwarf die Idee aber, weil mir die Vorbereitungsphase zu kurz war und ich mich noch zu jung dafür fühlte.
Über die Jahre steigerten wir unsere Strecken immer mehr und letztes Jahr (2018) stellte mein Kumpel Tobias die Idee in den Raum wir könnten doch … mal versuchen … PBP zu fahren …
Ich war erst gar nicht begeistert. Denn ich hab in dem Jahr beim 400 ter schon gemerkt, dass ist alles eine elende Schinderei und kein Spaß mehr.
Ich überlegte eine Weile und kam mit ihm überein wir melden uns bei PBP an und versuchen die Qualifikation zu schaffen. Da kann so viel schief gehen. (Das klappt eh nicht!!!)
Im Laufe der Zeit freundet man sich dann mit der Idee mehr und mehr an. Also habe ich meinen Chef darum gebeten mir den Spielraum zu geben, dass ich in Sachsen alle Brevets fahren kann. (Falls man nun noch in anderen Bundesländern auf Brevetjagt gehen muss wird es echt schwer.) Darauf hat mir dieser mitgeteilt, dass für so ein Ziel von der Arbeit einfach nichts im Weg stehen darf und mir die notwendigen Tage für die Brevets und PBP sicher frei gegeben. Danke dafür.
Mitte Februar konnte ich mich dann auch für das Event vorregistrieren. D.h. falls ich die Qualifikation schaffen würde, wäre ich sicher am Start in Rambouillet.
Ich trainierte über den Winter oft auf der Rolle und draußen meine Beine aber vor allem auch meinen Kopf. Den nur der bringt einen über 1200 Km ins Ziel.
Die Brevets haben wir dann im Laufe des Jahres erledigt. Wer sich im Detail nochmal dafür interessiert dazu gibt es separate Berichte. Bei keinem der Brevets kam bei uns der Gedanke ans Aufgeben.
Wir machten noch eine Woche Radurlaub durch Tschechien mit etlichen Höhenmetern und fuhren 2 Wochen vor PBP den Roadman mit 5000 Hm auf 266 Km. Zu wenig trainiert haben wir auf jeden Fall schon mal nicht.
Die letzten 4 Wochen vor PBP wurden dann etliche Optimierungen am Rad und der Ausstattung vorgenommen. Natürlich muss jede davon vorher ausgiebig getestet werden.

Die Anreise

Ab 15.08 hatten wir dann frei und ich konnte vor der Abfahrt nach Frankreich nicht so richtig gut schlafen. Mir ging durch den Kopf wie verrückt es ist 1200 Km am Stück Fahrrad fahren zu wollen.
Ich holte Tobias in Chemnitz vom Hauptbahnhof ab und wir fuhren an dem Tag ohne große Vorkommnisse nach Metz. Campingplatz, Zelt aufbauen und Stadt anschauen waren angesagt… das Übliche halt. Am 16. fuhren wir nach Trappe. Dort haben wir ein Hotel reserviert 2 Tage vor dem Event und 3 Tage nach dem Event. Wir besuchen an diesem Tag noch das Velodrome und Versailles mit dem Rad.
Am Samstag regnet es wie aus Kannen. Wir verwerfen unseren Plan mit dem Rad nach Rambouillet zu fahren und luden die Räder ins Auto. Wir stehen ab 14 Uhr an der Schlange im Regen bis nach 15 Uhr dauert es bis wir unsere Räder geprüft bekommen und den Zettel bekommen, mit dem wir unsere Startunterlagen abholen können.
Danach machen wir uns schnell aus dem Staub und fahren ins Hotel. Wir schauen uns “Zurück in die Zukunft 3″ an und schlafen am Sonntag lange. Wir verbringen den ganzen Tag mit Essen und Ruhen. 16 Uhr checken wir aus und fahren nach Rambouillet. Dort dürfen nicht mehr auf die vorgesehenen Parkplätze, weil dieses schon voll sind. Was nun??? Nach langem Suchen stellen wir das Auto auf den Parkplatz für die Caravan Autos. Wir brauchen dafür soviel Zeit, dass wir es langsam eilig haben. Wir holen noch für unsere Essenmarke unsere Mahlzeit und fahren dann in die Startreihe. Dort stehen wir noch eine Weile. 19:15 soll es losgehen. Da bewegt sich das Feld langsam los. Jeder bekommt bei der Durchfahrt durch ein kleines Zelt einen Stempel als Nachweis, dass er am Start zur korrekten Zeit gewesen ist. Wir fahren noch 500 m durch das Gelände des Schlossparkes und überqueren die Kontrollmatte für die Zeitnahme.
Wir sind jetzt endgültig unterwegs. Endlich geht es los. Bis dahin war alles irgendwie stressig. Jetzt können wir das tun wofür wir hier sind… radeln.

die ersten 24 h

Wir fahren los und es geht zügig voran. Da wir in der 90 h Gruppe starten holen wir permanent Leute ein (unser Ziel ist insgeheim 72 h). Radfahrer aus der ganzen Welt sind mit am Start und man ist erstaunt über den ein oder anderen, dass er oder sie den Mut aufbringt hier an den Start zu gehen. Es wird langsam dunkel und wir kommen an die erste Verpflegungsstelle in Mortagne-au-Perche. Das ist kein Kontrollpunkt auf dem Hinweg wir sind uns darüber allerdings nicht sicher und verlieren dort schon viel Zeit. Wir fahren weiter in die Nacht und uns ziehen die Rücklichter förmlich an. Mir kommt es so vor als ob einige asiatische Mitfahrer die am Tage schneller sind als wir, in der Nacht ins Koma fallen. Schlafentzug scheint für den ein oder anderen absolut unerträglich. So schlafen die ersten schon in der ersten Nacht am Straßenrand. Wir kommen in der Nacht an einem freien Stand vorbei. Dort schnell einen Kaffee und weiter. Mitten in der Nacht sind wir irgendwann in Villaines-la-Juhel und holen unseren ersten Stempel. Dort bedankt sich ein Japaner bei uns, weil er seit 4h bei uns im Windschatten hing. In der Dunkelheit haben wir das nicht wirklich mitbekommen. Aber nett von ihm sich zu bedanken. “Your Welcome” teilen wir ihm mit. Kurze Verpfegung mit Cola und Kaffee. Wir treffen einen Mitstreiter von den sächsischen Brevets und tauschen uns kurz aus wie es uns geht. Er hat Müdigkeitserscheinungen und muss mal kurz etwas schlafen. Wir fahren weiter. Bis nach Fourgeres dort haben wir nun schon etwas über 300 Km auf dem Konto und brauchen eine Pause. Wir holen uns den Stempel und etwas zu essen einen Kaffee. Wir sind etwa zur Frühstückszeit dort.
Wir überlegen in einem Supermarkt noch was Richtiges zu holen und fahren in ein Einkaufszentrum mit einem Bäcker der uns Panini aufbackt. Wieder geht viel Zeit verloren. Zwischenzeitlich hängen wir immer mal wieder an einer rumänischen Gruppe die ganz schön Druck macht. Ab und zu versucht einer aus der Gruppe herauszufahren, um die anderen ohne uns nachzuziehen oder man motiviert uns zum mitarbeiten aber der eine will das dann nicht. Irgendwann lässt sich diese Gruppe zurückfallen und wir fahren hinter Schweizern mit Tourtur Trikots bis nach Tinteniac hinterher. Dort verliert sich diese Gruppe wieder.
Stempel, Kaffee, Essen. Weiter.
Wir fahren jetzt oft alleine und sammeln immer wieder langsamere Radfahrer ein die sich bei uns anhängen. Aber nie lange dran bleiben können. Irgendwann holen wir wieder eine Gruppe ein und ich sehe ein Trikot mit EBM und denke der ist doch bestimmt von uns (sächsischen Randonneuren). Ich überhole die Gruppe und fahre neben den vorn Fahrenden mit dem Trikot. Wer ist es? Ein Bekannter von den sächsischen Brevets. Wir quatschen kurz und Mikro lässt sich nach hinten fallen, weil der gerade keine Lust mehr hat im Wind zu fahren. Er hat das gleiche Problem wie wir … im Windschatten fahren alle gern mit, mitarbeiten tut keiner gern.
Wir fahren nun in der Gruppe vorneweg. Tobias macht seinen Zieharmonika Stil und irgendwann hab ich auch keine Lust mehr und lasse mich zurück fallen. In Loudeac essen wir erstmal eine ordentliche Mahlzeit und quatschen etwas mit Mirko.
Der will irgendwann weiter und wir wollen nochmal ein kleines Nickerchen machen. Draußen ist es zu kalt und wir legen die Köpfe nochmal auf die Bank. Schlafen ist das nicht und lange bleiben wir auch nicht. Dann gehts weiter. Kurz nach dem Kontrollpunkt kommt eine “geheime” Kontrolle und noch eine Verpflegungsstelle wo wir nur unsere Flaschen auffüllen.
Jetzt sind wir eigentlich hauptsächlich zu 2. unterwegs und holen hier und da mal jemanden ein bzw. werden von jemandem überholt. Tobias quatscht eine Weile mit einem Liegeradfahrer der uns dann aber auf der langen Abfahrt davon fährt.
In den ersten 24 h hatten wir 480 km geschafft.

die zweiten 24 h

Wir fahren bis nach Carhaix-Plouguer und dort winkt uns schon Mirko und wir essen wieder zusammen. Entscheiden nun aber zusammen weiterzufahren. Auf der Strecke nach Brest wird es nochmal schwer. Viele lange Anstiege warten auf uns. Nach dem Eintritt der Nacht nimmt zumindest der Gegenwind ab der uns den ganzen Tag ins Gesicht geblasen hat.
Wir einigen uns schon auf dem Weg nach Brest auf eine Nachtruhe von 4 h. Ich bin froh nicht nur mit einem Bergfahrer unterwegs zu sein. Tobias neigt in den Anstiegen immer dazu davon zu fahren. Wir kommen nach 2:36 Uhr in Brest an und holen uns einen Stempel und bekommen einen Aufkleber fürs Auto. Wieder streckt uns ein sächsischer Randonneur die Hand entgegen und begrüßt uns freudig uns zu sehen.
In Brest suchen wir uns nun 3 Betten. Die Zimmer dort haben je 2 und wir werden auf 3 Zimmer irgendwo in dem Haus aufgeteilt. Allerdings müssen wir noch 10 min warten bis wieder Betten frei werden.
7 Uhr wollen wir geweckt werden. Die Leute an den Verpfegungsstellen und an den Kontrollstellen können kaum Englisch. Mit meinem Französisch komme ich allerdings einigermaßen klar. Die Leute dort sprechen aufgrund der totalen Übernächtigung der Leute sehr langsam und endlich versteh ich mal jemanden auf französisch. Mit Händen und Füssen geht es notfalls auch ohne Sprachkenntnisse.
Mirko hatte den richtigen Riecher. 4 h muss man dort mindestens liegen, um ein paar Stunden zu schlafen. Vor der Tür trampeln Radfahrer mit Klickpedalen, im Nachbarzimmer schnarcht einer laut, mein australischer Mitbewohner wälzt sich hin und her. Irgendwann finde ich auch zur Ruhe und schlafe sicherlich 2,5 h. Noch vor 7 Uhr bin ich wieder wach und als mich der französische Aufseher des Ganges wecken kommt sitze ich schon angezogen im Bett.
Wir treffen uns zum Frühstück und kommen erst nach 8:00 Uhr wieder los. Nun geht es wieder den langen Anstieg von Brest hoch. Uns kommen nun viele Randonneure entgegen, die noch auf dem Weg nach Brest sind. So auch der Organisator der sächsischen Brevets Olaf. Ohne diesen wäre die Qualifikation für PBP absolut kompliziert für uns. Vielen Dank für die viele Mühe diese Brevets in Bennewitz zu organisieren.
Dann kommt irgendwann auch noch irgendwann das Urgestein der deutschen Randonneursszene entgegen. Claus Cycholl. Wir sind immer noch zu 3. unterwegs und Tobias fährt immer mal etwas am Berg davon. Wir 2 hinten verquatschen uns manchmal etwas mit Themen über MTB Rennen und Technik bis wir merken, dass Tobias wieder etwas aus dem Blickfeld gefahren ist.
Uns tut es gut, dass uns noch so viele Fahrer entgegen kommen. Irgendwann glauben wir allerdings, dass ab dem Punkt die Leute nicht mehr ins Ziel kommen und nur noch versuchen nach Brest zu kommen. Wir machen uns gelegentlich über das Schlafverhalten unserer asiatischen Mitstreiter lustig. Manchmal liegt einer 20 cm neben der Fahrbahn mit dem Kopf anstatt 200 m weiter in einen Feldweg einzubiegen und sicher und ruhiger zu ruhen.
Auf dem Rückweg versuchen wir so wenig wie möglich Pausen zwischen den Kontrollstellen zu machen. Das ist ziemlich hart noch 85 Km am Stück zu fahren aber es spart ungemein Zeit. Wir legen an jeder Verpflegungsstelle nun eine ca. einstündige Pause ein. Essen was geht. Die Frauen an der Ausgabe wollen immer wissen wann sie aufhören sollen die Teller zu füllen. Ich warte immer bis der Teller wirklich voll ist. Darüber amüsieren sich diese unheimlich. Auf dem Rückweg müssen wir nun alle Kontrollpunke wieder rückwärts ansteuern. Wir stellen fest, dass nicht mehr viele Radfahrer an den Kontrollpunkten anstehen. In Carhaix-Plouger treffen wir den Mitorganisator Gert von den sächsischen Brevets. Er sieht allerdings ganz schön fertig aus. Er konnte die Nacht wohl nicht so richtig schlafen. Die beiden anderen (Tobias und Mirko) haben zwischendurch Björn den Vor-PBP Sieger getroffen der allerdings nicht zum plaudern aufgelegt war.
Wir fahren weiter und irgendwann kommt Björn und Fiona (sie hat 2 Wochen zuvor das TCR gewonnen) an uns mit einem lauten Gruß vorbeigerast. Die freuen sich offensichtlich auch bekannte Gesichter zu sehen. Die beiden machen eine Genußfahrt aus Paris Brest Paris. Björn fährt zusätzlich noch mit einem Fixie (Starrnabe und einem Gang).
Wir fahren nun bis Loudeac. Dort kommen wir 17:15 Uhr an und essen reichlich. Zwischen den Kontrollpunkten verschwimmen die Ereignisse immer mehr und wir sind hauptsächlich darauf konzentriert die Nächste zu erreichen. In Tinteniac ist es bereits dunkel, als wir ankommen. Wir entscheiden aber noch bis Fourgeres zu fahren und dort 1h 20 min irgendwo in einer Ecke zu schlafen.

die dritten 24h

Wir holen uns auch dort wieder einen Stempel um ca. 1:15 Uhr und legen uns direkt danach in der Turnhalle dort auf eine freie Stelle auf dem Fußboden. Ich komme lediglich eine halbe Stunde zum schlafen, weil ringsherum ziemlicher Lärm ist. Als wir wieder aufstehen liegen inzwischen viele Fahrer um uns herum und einer fordert Mirko auf den Platz schnell zu räumen, damit er sich hinlegen kann. Wir essen noch etwas Kleineres, ich trinke einen Kaffee und einen schwarzen Tee, weil mir die Stimme etwas heiser geworden ist durch den vielen Gegenwind.
Wir fahren nun durch die Kälte der Nacht. Es ist zum Teil nur noch 7-8 Grad kalt und wenn wir durch Nebelfelder fahren friere ich dermaßen, dass ich mich entscheide alles anzuziehen was ich noch in den Taschen habe. Danach friere ich nicht mehr nur die Füße sind etwas kalt. Es wird irgendwann wieder hell und wir kommen in Villaines-La-Juhel an. Dort wird erstmal wieder ausgiebig gefrühstückt. Alle ringsherum sehen jetzt dementsprechend geschafft aus. Auch wir. Nun ist der nächste Punkt Mortagne-Au-Perche. Der Name bedeutet irgendwas mit Berge. Dementsprechend bergig wird diese Etappe auch. Wir holen jetzt durch unsere Wechselstrategie (wir wechseln alle 5 min durch) gegen den Wind immer wieder Fahrer ein. Kurz können die meisten sich bei uns anhängen trotzdem bildet sich hinter uns nie eine Gruppe. Viele Fahrer lassen sich von der Verlockung bei einer freien Verpflegungsstelle verleiten vom Rad zu steigen. So überholen wir immer wieder viele stehende Randonneure. Wir sind weiterhin diszipliniert und fahren immer weiter. “Nur wer auf dem Rad sitzt kommt seinem Ziel näher”. Wir bedanken uns immer mit “Merci” bei den Betreibern der Stände aber lehnen stehts ab. In Mortagne-Au-Perche holen wir uns wieder eine reichliche Portion. Während wir essen werden wir über viele Informationen aus der Region durch eine nette Deutschlehrerin aufgeklärt. Sie freut sich offensichtlich ihre sehr guten Sprachkenntnisse endlich mal an ein paar Deutschen ausleben zu können. Ich habe allerdings etwas Probleme ihren Ausführungen zu folgen. Nach 3 Tagen fast ohne Schlaf kann ich noch einigermaßen Rad fahren aber eine vernünftige Konversation fällt dann doch schwer. Ich mache mich nochmal an einem Waschbecken mit Spiegel frisch und muss feststellen, dass ich ganz schön “scheisse” aussehe. Ganz so schlimm fühle ich mich allerdings gar nicht.
Ich treffe noch einen Bekannten aus dem Norden Deutschlands, der 2018 einige Brevets in Sachsen mitgefahren ist und wir unterhalten uns ganz kurz.
Irgendwann als wir uns etwas erholt haben fahren wir weiter. Noch 2 Stempel. Ich habe zwischenzeitlich ganz schön mit der Müdigkeit zu kämpfen, nicht dass ich auf dem Rad einschlafe aber mein Puls geht nicht mehr so richtig in die Höhe und ich habe auf dieser Etappe eine schwere Phase. Ich fahre meine Ablösung im Wind immer recht hart damit ich aus dem Tief wieder herauskomme und nach einem Notriegel wird es bei mir wieder besser.
Bis Dreux fahren wir nun auch noch recht zügig und holen unseren nordischen Freund irgendwann ein. Der sich nahtlos in unser kleines belgisches Kreisel einordnet.
Dort überlegen wir, dass es ja nur noch 45 Km bis Rambouillet sind. Ich schaue auf die Uhr und gebe Mirko zu verstehen, dass er es noch gut unter 72h schaffen kann. Er überlegt auch nicht lange und wir knallen uns jeder 2 Energiedrinks rein und essen nur eine Kleinigkeit.
Unser nordischer Freund hat sich wieder mit seinem Bekannten zusammengetan und ist schon weitergefahren als wir aufs Fahrrad steigen.
Wir entscheiden zusammen, dass wir die letzte Etappe jetzt ausklinken lassen. Alles nochmal Revü passieren lassen und kein Risiko mehr eingehen. Wir finden uns in einer kleinen Gruppe zusammen. Ein Deutscher der erst 61 h unterwegs ist fährt nun mit Tobias vorn und beide Unterhalten sich über die Randonneursszenen in Deutschland.. Dieses ‘Ausklingen lassen’ lässt mich allerei Schmerzen realisieren. Bis dahin hat mein Kopf alles ausgeblendet. Jetzt tut mir das rechte Knie weh und meine Achillessehnen schmerzen. Nun nützen auch keine Gymnastikübungen auf dem Rad mehr, um diese wieder loszuwerden.
Die 45 Km werden nochmal gefühlt sehr lang. Wir rollen aber irgendwann auf das Gelände des Schlossparkes in Rambouillet und lassen uns jetzt die letzten Meter bis zum Ziel etwas feiern.
Wir fahren in die “Bergerie” des Schlossparkes und damit ist die letzte Zeitnahme erledigt. Nun müssen wir uns nur noch einen Stempel abholen und wir haben das Unmögliche geschafft.
Unsere Stempelkarte wird dabei nochmal auf Strafzeiten und ob alle Stempel vorhanden sind kontrolliert. Alles ist in Ordnung und wir bekommen den letzten Stempel sowie die Finisher Medaille. Wir dürfen uns nun noch einen Wegweiser (nach Paris oder nach Brest aussuchen). Nun machen wir ein paar gemeinsame Fotos zur Erinnerung. Außerdem gibt es noch eine Essenmarke.
Diese lösen wir sogleich ein und Mirko und ich holen uns einen Cider, um sogleich damit auf unser erreichtes Ziel anzustoßen.
Wir verabschieden uns und ich und Tobias fahren mit den Rädern zum Auto. Ich bin froh nicht nach Trappe mit dem Rad fahren zu müssen, weil mir alles weh tut.
Wir feiern auf dem Weg dahin alle gerade Ankommenden wie wir vorher von anderen gefeiert wurden.
Nach dem wir die Räder verladen haben und ich Tobias letztes Koffeingel zu mir genommen habe fahren wir los. Wir versuchen noch 2 Bier zu an einer Tanke zu bekommen aber können keine Geöffnete mehr finden. Am Ende holen wir uns für 5 Euro je ein 25cl Heinecken Bier im Hotel.
Wir duschen uns nochmal ausgiebig und danach sind wir in wenigen Minuten entschlafen.

die Erste Erholung nach PBP

Den nächsten Tag (Donnerstag) verbrachten wir ausschließlich mit Schlafen, Essen, Spazieren (herumhutschen) sowie noch mehr Schlafen und noch mehr Essen.
Am Freitag konnten wir uns aufraffen mit der U-Bahn nach Versailles zu fahren. Wir wollten dort das Schloss anschauen verwarfen allerdings diesen Plan, weil wir dafür 1,5h anstehen hätten müssen. So lange konnten und wollten wir nicht rumstehen. Also schauten wir uns nur die Musikgärten des Schlossparkes an. Das war schon ausreichend anstrengend und zum frühen Nachmittag waren wir bereits wieder im Hotel und frönten unserer Lieblingsbeschäftigung “Schlafen”.

der Heimweg

Es wäre ja verrückt 1000 Km am Stück mit dem Auto zu fahren und außerdem wollten wir wollten nun nicht gleich am Samstag Frankreich verlassen (dann ist der Urlaub ja vorbei). Deshalb besuchten wir die Stadt Charleville-Mezieres. Am Sonntag fuhren wir bis Giesen und am Montag mittag war das ganze Erlebnis vorbei. Dabei waren wir nach den 300-400 Km am Tag im Auto schon immer geschafft und haben uns den Rest der Tage immer nur ausgeruht.

Fazit

Paris Brest Paris ist ein Zusammentreffen von über 6000 verrückter Radfahrer. Dort dabei gewesen zu sein ist auf jeden Fall ein unglaubliches Erlebnis. Man hat von Allem nur eine Erinnerung als ob es ein Tag gewesen wäre. Dieser ist aber mit so vielen intensiven Erlebnissen geprägt, dass man gar nicht alles zu verarbeiten vermag. Als wir am Freitag nach PBP in Versailles waren sagte ich zu Tobias, als ich eine Stelle wieder erkannt habe. Hier waren wir doch vorgestern. Das war halt nur vor einer Woche.
Raum und Zeit ist halt doch was Relatives.
Jeder der sich in den Kopf setzt dieses Unternehmen in Angriff zu nehmen sollte sich im Klaren sein, das Erreichen des Ziels bei PBP bekommt man nicht geschenkt. Angefangen bei der Qualifikation für PBP und beim Training für die ganzen Brevets muss man viel Kraft, Zeit und Leidenschaft aufbringen. PBP kann man nicht mal nebenher in einem Jahr fahren. Ich habe alle läuferischen Aktivitäten für dieses Ziel eingestellt. Man kann PBP nur ganz oder gar nicht in Angriff nehmen. Wer sich nicht voll von Kopf bis Fuß diesem Ziel verschreibt oder es auch nicht kann sollte es lieber ganz lassen.
Alles hat einen Preis. Für Paris-Brest-Paris heißt dieser man wird nicht viel Zeit für anderes in diesem Jahr haben. Dessen sollte man sich allerdings vorher im Klaren sein. Die Strecke von Paris-Brest-Paris wird von allen als sehr bergig beschrieben. Das sollte man in jedem Fall glauben. Der Asphalt ist so rau, sodass man permanent Vibrationen in den Händen spürt und es gefühlt nie so richtig gut rollt.
Es schadet offensichtlich nicht, sehr sehr viel Respekt vor der Strecke zu haben. Die Strecke ist sehr schwer. Wer das unterschätzt wird enorm leiden.
Dagegen ist das Gefühl die Strecke geschafft zu haben unglaublich erfüllend. Der Lohn des Ganzen ist, dass man die Begeisterung einer Radsport verrückten Nation direkt spüren kann. In jedem Dorf stehen 24h am Tag Menschen die die Fahrer anfeuern und Kinder die die Fahrer abklatschen. Ich habe mich auch über die Anteilnahme diverser Sportfreunde, Kollegen und Bekannten gefreut, die sich währenddessen immer informiert haben, wo ich gerade stecke und wie es vorangeht. Es ist für mich auch immer wieder schön Bekannte unterwegs zu treffen.

Ich bin unglaublich dankbar, dass es die komplette Zeit nicht geregnet hat und, dass wir keinerlei technische Defekte auf der kompletten Distanz hatten.

Was kommt jetzt. Viele Sportler neigen dazu immer extremer zu werden. Ich bin aber der Meinung man kann nicht immer noch einen drauf setzen. Irgendwann hat man mal das “Verrückteste” gemacht.
Trotzdem wird mir nicht langweilig. Ich möchte noch irgendwann den Rennsteig Ultralauf absolvieren, die letzten 2 Monumente des Radsports ( Flandern Runde und Lombardei Rundfahrt) abhaken und bei der Radfernfahrt Trondheim-Oslo teilnehmen. Ausserdem freue ich mich wieder bei den kleinen Jedermannläufen in der Region mich mit alten Bekannten zu messen.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Berichte, Wettkämpfe von Michael Gasch. Permanenter Link des Eintrags.

Über Michael Gasch

Ich bin an einem Maitag imJahre 1984 geboren und habe seitdem laufen, lesen, schreiben, rechnen, ... und unter anderem auch radfahren gelernt. Das macht mir in allen seinen Ausführungen Spaß. Ob auf Rennrad, Mountainbike oder Randonneur ist dabei egal hauptsache der Vortrieb stimmt. Ansonsten halte ich mich für nen netten Typ und habe immer zu wenig Zeit aber wem geht das nicht so.