400 Km Brevet ARA Sachsen ein Erinnerungsbericht

Warum Erinnerungsbericht? Weil bei dieser Austragung des 400 Km Brevets vieles im Nebel liegt. Wenn man von 19 von 24 h im Regen “steht” und alles durch eine mit Regentropfen verschwommene Brille sieht, verschwimmt auch so manches Detail in der Erinnerung.
Ausserdem ist es ein Erinnerungsbericht an mich selbst der mich daran erinnern soll welche negativen Sachen man bei so etwas mit erlebt. Die vergisst man nämlich immer wieder nachdem etwas Zeit in Land gezogen ist.
Wo fängt man bei einem Bericht über so eine Geschichte an. Nicht mit dem Start der Radfahrt. Denn man ist mit Organistation und Planung schon die ganze Woche vorher damit beschäfftigt.
Am Dienstag wurde uns die Roadmap zugesandt. Die Strecke hatte ich schon erwartet, denn diese wurde schon 2015 vor Paris Brest Paris (PBP) gefahren. Tobias hat diverse Varianten der Strecken durchgespielt und hat am Ende zwei als Option gefunden. Die Erste war fast der Orginaltrack von Olaf (Organisator) nur, dass dort Werdau ausgespart wurde. Dort war keine Kontrolle und man konnte so 10 Km sparen. Diese würden wir wenn das Wetter sehr schlecht wäre dann ja wieder mehr fahren, wenn wir über Limbach fahren (Variante 2). Aber das sollte nur für ganz schlimme Bedingungen herhalten.
Die Woche vor dem Start versuchte ich abends jeden Tag noch etwas vorzubereiten (Hausordnung, Checkliste erstellen und diese abarbeiten).
Am Freitag bin ich durch eine leichte Erkältung mit dem Auto auf Arbeit und war so pünktlich zu Hause. So konnte ich mein Fahrrad noch mal durchchecken. Mein Sattel war um ein paar Grad verdreht also Schraube von der Sattelklemme auf Sattel drehen, Schraube zu. … Knack Sattelklemme kaputt … Mist. Man sollte eben doch den Drehmomentschlüssel nehmen. Ein kurzer Blick auf die Uhr der mir mitteilte es sei 10 min vor 18 Uhr. Immerhin ich wohne ja über einem Radladen (wo auch sonst) der 18 Uhr schließt. Der hatte zum Glück auch noch eine passende Sattelklemme. Nun hatte ich doch mal den Drehmomentschlüssel ausgepackt.
Nachdem ich das  Rad fertig hatte bin ich kurz beim Asia Imbiss etwas essen (Freitag ist für kurz ein schlechter Tag). Danach Auto beladen und umparken. Nun war nur noch der Haferschleim für das Frühstück vorzubereiten und das Freitagsfeierabendbier zu trinken.
Die ganze Woche hatte ich immer wieder auf den Wetterbericht geschielt. Der verhieß nichts Gutes. Als grenzenloser Optimist glaube ich solchen Prognosen sowieso nie. So schlimm wird es schon nicht werden.
Kurz vor 6 Uhr (vor dem Wecker) stand ich nach gutem Schlaf auf. Meine leichte Erkältung hat sich eher verschlechtert. Ich überlege schon ob es Klug ist einen 400 Km Brevet mit Erkältung zu fahren. Ich werd erstmal nach Bennewitz fahren und wenns nicht geht kann man immer noch abbrechen. Körperlich geht es mir ja gut.
Nach Bennewitz kam ich auch schnell und so war ich 8:15 Uhr in Bennewitz. Ein paar Randonneure waren mit Wohnmobilen angereist. In der Halle schliefen noch alle die sich dort am Vorabend niederließen.
Tobias ist auch schon 8:30 Uhr da, weil es ja 10 Uhr los geht. Wir holen die Startkarten und tragen uns in die Startgruppe 1 ein. Nicht weil wir so schnell sein werden, dass wir mit den ersten mithalten könnten, sondern weil wir dadurch 10 min früher auf der Strecke sind.10:30 Uhr ist erst Start? Wir hätten länger schlafen können!!!

Eigentlich trifft meine Stimme schon am Start nicht seine gewohnte Stimmlage und 24 h im Regen werden das nicht verbessern. Ich habe Tobias mitgeteilt, dass ich nicht 100% fit bin, wir es ruhig angehen müssen und ,dass ein DNF durchaus nicht ausgeschlossen ist falls zu meinen Husten auch noch körperliches Unwohlsein kommt. Eine Herzmuskelentzündung ist das letzte was ich mir bei sowas holen will. Dann ist PBP auch nicht mehr wichtig.
Wir lassen uns von Start an zurückfallen, weil vor dem Start schon angefahren hatte zu regnen und die meisten keine Schutzbleche hatten, wodurch einem permanent ein Wasserstrahl ins Gesicht spritzt wenn man sich im Windschatten befindet. Also heut ohne Windschatten.
Die ersten Km waren flach entlang der Leiziger Seenlandschaft. In Weißenfels holten wir uns den ersten Stempel. Durch Naumburg gings durch die Altstadt, dabei dachte ich die Stadt könnte man sich auch mal anschauen, wenn man nicht grad einen 400 Km Brevet fährt. Bis Bad Sulza beim nächsten Stempel hatte es sich nun richtig eingeregnet. An den Kontrollstellen trifft man immer wieder Randonneure und kann sich über das ein oder andere austauschen. In einem Supermarkt hatten es die Kassierer schon langsam satt Stempel zu verteilen als wir dort ankamen. In der vorgelagerten Bäckerei holten wir uns etwas zu essen und einen Kaffee.
Eine ältere Frau schnappte die Restkilometeranzahl 300 auf und fragte ungläubig ob wir das wirklich heut noch fahren wollen. Ich sagte ihr, dass wir das bis zum nächsten morgen fahren müssen/wollen. Sie reagierte mit der dem Satz:”Achso ich dachte schon!!!”.  Als ob es das besser macht.
Weiter ging es durch landschaftlich attraktive Ecken über Buttstädt (nächster Stempel), Apolda, Magdala und Kahla durch das schöne Thüringen. Die Option irgendwo mal eine größere Pause zu machen hatten wir nicht. Durch die 100% durchnässten Klamotten würden wir sofort auskühlen. Also bleibt nur “Fahren”. Von Kahla kann man im Tal nach Pößneck fahren. Olaf, der uns auf PBP bestens vorbereiten will, entschied eine Kontrollfrage in das Dorf Hütten zu legen, damit wir noch ein paar HM und Km extra sammeln.
In Pößneck war es dann schon nach 20 Uhr und Mitstreiter erzählten uns schon vor dem Start, dass dies die letzte Möglichkeit sei etwas zu Essen und zu Trinken zu bekommen. Wir hatten uns ja eh entschieden heute nur ankommen zu wollen und wenn wir das komplette Zeitlimit ausnutzen. Tobias hatte vorher schon nach Möglichkeiten geschaut was “richtiges” zu essen. Wir suchten also nach dem “Istanbul Imbiss”. Wir eierten erstmal etwas durch Pößneck fanden dann aber doch noch den Imbiss. Wir bestellten beide eine Pizza und tranken eine Cola. Leider gab es keine Warmgetränke. Das hätte meinem Hals sicher gut getan. Wir wärmten uns etwas auf und zogen uns danach alles an was wir hatten und bereiten uns auf die Nacht vor.
Wir fuhren nun zu der Tankstelle an dem wir unseren Stempel holen sollten. Dort befanden sich viele Randonneure. Ich wunderte mich über den Andrang. Der ein oder andere Tippe auf seinem Handy rum. Wir fuhren weiter und ich dachte als wir dann in den nächsten heftigen Regenschauer mit Sturmböen kamen, dass diese das Wetterradar angeschaut hatten und diese “aussitzen” wollten. Wie sich am Ende herausstellte waren unter denen die sich dort aufhielten einige Abbrecher.
Wir fuhren durch Ecken wo im Wintersport in den kalten Jahreszeiten durchgeführt werden kann. Es wurde auch merklich kälter und ich war froh mein Reservetrikot noch zusätzlich angezogen zu haben. Außerdem hatte ich meine lange Regenhose drüber gezogen. Die 100 % Nässe war nach kürzester Zeit erreicht aber der Austausch des Wassers unter den Schichten dauerte länger und damit kühlte ich nicht so sehr aus. Meine Hände waren zu keinem Zeitpunkt unerträglich kalt aber ich hatte kein Gefühl in den Fingern und konnte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr richtig greifen, schalten oder Riegel öffnen.
Es regnete jetzt so stark, dass ich unter meiner Fahrradbrille nichts mehr sehen konnte irgendwann hab ich diese abgesetzt. Nun hatte ich nur noch meine Sehhilfe auf der Nase. Über die kann ich drüber schauen. Damit sehe ich bei Dauerregen mehr als mit Brille. Ich konnte zwischenzeitlich nicht unterscheiden ob der Neben durch den ich blickte sich auf meiner Brille befand oder ob dieser überall sich breit machte.
In den Abfahrten fuhren wir sehr vorsichtig. Dadurch kamen uns zwischendurch andere Randonneure sehr nah. Bergan am Hanka-Berg hoch waren diese aber plötzlich weg. Durch schlechte Sicht und weil wir uns etwas verquatscht haben, haben wir einen falschen Abzweig vor Greiz genommen.  2 Km einen Anstieg hoch, wieder runter und einen anderen Anstieg wieder hoch. In Glauchau fragen wir an einer Tankstelle ob dort schon viele Radfahrer (Randonneure) waren. Die junge Frau teilte uns freundlich mit, dass das wohl so sei aber, dass dies die falsche Tankstelle ist und wie wir zur Richtigen kommen.
An der richtigen Tankstelle kamen wir 2 Uhr an und … diese hat doch tatsächlich seine Türen geöffnet. Dadurch können wir einen Kaffee trinken und uns etwas aufwärmen.
Nun kommt unser Notfallplan zum Einsatz. Der Nachteil… noch mehr Höhenmeter. 3:30 Uhr kommen wir an meiner Wohnung an. Nun kann ich endlich meine Klamotten wechseln und Tobias seine Sachsen etwas trocknen bzw. etwas vorwärmen. Ich mache etwas Schwarzen Tee der meinem Hals gut tut. Wir sind irgendwie fast eine Stunde beschäftigt mit essen trinken und kommen so eigentlich kaum zu Ruhe. Ich komme 10 min zum meditieren und dann ziehen wir uns wieder an und fahren kurz vor 5 Uhr weiter Richtung Oschatz.

Da wir ja vom Originaltrack weg sind, müssen wir eine von Tobias über Komoot geplante Strecke fahren. In der Abfahrt nach Göhren wehre ich mich gegen den Drang meine Augen zu schließen. Bei 40 Km/h in den Sekundenschlaf zu fallen kann schlimm ausgehen.  Gegen die Müdigkeit hilft das kalte Wasser in der Flasche. Die von Tobias geplante Strecke ist zum Teil OK aber es gibt auch Teile die sind absurd. So schickt uns der Track in Wechselburg nicht die Hauptstraße gemütlich hoch sondern direkt über einen fast 20 % igen Anstieg. Über Fischheim gings nach Rochlitz. Das hätte man auch einfacher haben können.
Dort kamen wir wieder auf den von Olaf vorgegeben Track. Das kennen wir ja schon. Es wird nicht flach in dieser Region aber wir kommen noch gut voran. 100 Km bis Oschatz sind dann aber doch zuviel für mich und ich bekomme gegen 7:30 Uhr einen ordentlichen Hungerast. Ich esse einen Riegel und drücke mir ein Gel rein. Immerhin es hat aufgehört zu regnen. Danach geht es wieder. Wir fahren bis Oschatz an die Tankstelle wo wir unseren vorletzen Stempel holen sollen.
Dort trinke ich einen Kaffee und Tobias zieht sich einen Kakao rein. Dazu essen wir jeweils ein Baguette. Jetzt noch 25 Km. Wir setzen uns aufs Rad und auf dem Verkehrsschild steht Wurzen mit 30 Km ausgeschildert. Mir geht es den Umständen entsprechend recht gut. Ich schaue auf die Uhr und denke ein kleiner Achtungserfolg wäre doch das Ding unter 24 h zu beenden. Ich fahre jetzt vorn und trete. Wir haben Gegenwind auf der Bundesstraße nach Wurzen passiert nicht mehr viel. Ich zerlege mir die restliche Strecke in kleine Abschnitte noch 5, dann sind es nur noch 10 Km. Wir bekommen 10:23 Uhr den letzten Stempel. 23h 53 min. Das ist nicht schnell aber dafür das ich eigentlich etwas kränklich bin und bei diesen Bedingungen ist es ein riesiger Erfolg dieses Ding beendet zu haben. Danach ging es noch schnell nach Bennewitz. Ich habe mein Fahrrad schnell verladen und bin dann mit Duschzeug in die Halle. Karte abgeben, Gratulation und Verabschiedung mit Tobias.
Kurz habe ich überlegt in der Halle eine Runde zu schlafen aber dachte dann, wenn ich mich jetzt hinleg komm ich bis nachmittags nicht weg. Also habe ich eine Stunde im Auto geschlafen das ist so bequem das man etwas schlafen kann aber zu unbequem um dort 5 h weg zu dösen. Nach ca. 1h bin ich dann nach Hause gefahren ohne mit Sekundenschlaf kämpfen zu müssen wie letztes Jahr. Auch ich lerne in meinem Alter halt noch dazu. Das nächste mal gehe ich vielleicht auch nicht mehr an den Start mit Halsproblemen.
Dankbar bin ich für den Begleitschutz durch Tobias. Der hätte an diesem Tag sicher schneller fahren können. Die Technik hat an dem Tag wirklich tatellos funktioniert. Keine Defekte, die Schutzbleche haben das gemacht was sie sollten, die Beleuchtung hat spitzenmässig ihre Arbeit geleistet und durch den Sattelklemmenwechsel ist ein Knacken verschwunden welches ich seit geraumer Zeit ins Tretlager verordet habe. Wenn man bei dem Wetter noch Probleme mit dem Rad hat wird es echt eklig.
Was mich positiv stimmt, ist, dass wir zu keinem Zeitpunkt ans Aufgeben gedacht haben. Jetzt einen Tag danach habe ich eine taube linke Hand meine Knie tun beide schön weh, meine Halsschmerzen sind weg aber ich habe natürlich noch Auswurf. Besser wird sowas bei einem Brevet halt nicht. Körperlich bin ich eigentlich ganz gut drauf. Wenn dieses Jahr nicht PBP auf dem Plan stände, hätte ich an diesem Brevet sicher nicht  teilgenommen. So aber bin ich nun einen Schritt näher an meiner ersten Teilnahme.

noch 600 Km bis Paris (Rambouillet)
Bon Courage et bonne Route
Michael

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Über Michael Gasch

Ich bin an einem Maitag imJahre 1984 geboren und habe seitdem laufen, lesen, schreiben, rechnen, ... und unter anderem auch radfahren gelernt. Das macht mir in allen seinen Ausführungen Spaß. Ob auf Rennrad, Mountainbike oder Randonneur ist dabei egal hauptsache der Vortrieb stimmt. Ansonsten halte ich mich für nen netten Typ und habe immer zu wenig Zeit aber wem geht das nicht so.