400 Km Brevet Sachsen

Am 12.05.2018 um 9:30 Uhr starteten circa 45 Mann in Bennewitz, um sich dem 400 Km Brevet der Audax Randonneure in Sachsen zu stellen.
Zwei Tage vor dem Start bekamen alle angemeldeten Randonneure die Streckenplanung zugesandt. Meine schlimmsten Vermutungen wurden wahr. Die Strecke sollte nach Tschechien gehen.
Diese Aussicht auf Quälereien auf dem Erzgebirgskamm veranlasste nicht wenige ihre Startkarten gar nicht erst abzuholen. Wahrscheinlich gibt es in Deutschland kaum einen 400 Km Brevet der schwerer ist.
Irgendwie hat mich mein guter Freund Tobias dazu überredet den 400 Km Brevet mal mitzufahren. Schließlich haben wir inzwischen etliche 200ter einen 300ter und den Fleche Allemagne mit fast 400 Km absolviert.
Trotzdem war ich bei der Vorbereitung am Freitag irgendwie völlig durch den Wind. Ich hab alles mehrfach ein und ausgepackt, weil ich meine Zulassung und den Autoschlüssel gesucht hab. Zum Teil habe ich lange nach irgendwelchen Kleidungsstücken gesucht die dann natürlich dort waren wo ich sie normal auch hinlegen würde. Nachdem ich mit Packen fertig war habe ich mein Fahrrad noch nachttauglich gemacht. Reflektoren anbauen, Kette ölen, Beleuchtung installieren und Batterien aufladen. Am Ende des Tages hatte ich es irgendwie im Rücken durch das viele aufheben und montieren. Dadurch konnte ich nicht so richtig schlafen. Super Voraussetzungen für einen 24 h nonstop Brevet.
Kneifen zählt nicht also bin ich 8:30 Uhr in Bennewitz angekommen. Startkarte abholen, Fahrrad zusammenbauen, Kaffee trinken, Zeug nochmal umpacken und auf Tobias warten.
9:37 gings richtig los. Die erste Kontrollstelle war in Mittweida und irgendwie rollte es bis dahin in einer großen Gruppe auch ganz gut. Ein paar Höhenmeter aber noch nichts Wildes. Schnell ein Baguette essen und weiter. Die Gruppengröße war jetzt nur noch 10 Mann. Dann ging es schon mal ins Vorerzgebirge und die Anstiege wurden schon länger und steiler. Alles noch im Rahmen. Tobias und ich wechselten mal die Gruppe nach vorn aber in Lengefeld bei 110 Km entschieden wir alleine weiter zu fahren, weil uns das Tempo zu hoch war. Kaffee und ein Stück Kuchen.
Jetzt wurde es langsam interessant. Über Marienberg ging es nach Reizenhain und nach Tschechien rein. Das Erzgebirge hat es schon etwas in sich aber wir fuhren trotzdem gut bis Chomutov durch. Hier erreichten wir an der Benzina Tankstelle den 2. Kontrollpunkt. Bei 160 Km konnten wir nochmal einige Mitstreiter treffen. Wir fuhren nochmal schnell zum Globus und holten uns ein paar Vorräte für die Nacht. Das kostete so viel Zeit, dass eigentlich alle anderen Fahrer die etwa unserer Niveau hatten schon wieder lange weitergefahren waren.
Nun sollte es nach Bozi Dar gehen. Der Anstieg bis dahin ist absolut steil und lang. Mit zum Teil 6 Km/h gings langsam den Berg hoch. Nach dem steilsten Stück in Celna warte eine Kontrollfrage auf uns. Welcher Radweg in diesem böhmischen Dorf endet war zu beantworten.
Immer im viel zu intensiven Bereich kämpften wir uns innerhalb von 3 h von Chomutov nach Bozi Dar. Gerade mal 50Km schafften wir in dieser Zeit. An einer Tankstelle trafen wir wieder ein paar Randonneure und fuhren mit diesen von da aus weiter.
Nach etlichem auf und ab wurde uns die Gruppe zu langsam und wir setzten uns mit einem Einzelkämpfer aus Halle ab.
Nächster Kontrollpunkt war eine Tankstelle in Luby. Diese sollte 22 Uhr schließen also fuhren wir wie die Teufel durch die Nacht um noch den Stempel zu erreichen. Angekommen an der Tankstelle sind wir dann 21:57 Uhr. Und… die Tankstelle hatte bis 22:30 offen.
Wir kauften uns das letzte Baguette in der Tankstelle und unser Mitstreiter schlug vor eine vermeintliche Pizzeria in diesem Ort aufzusuchen um mal wieder was “Richtiges” zu Essen. Die Pizzeria war allerdings nur eine Bierkneipe in der man auch nur Bier als Nahrungsmittel um diese Uhrzeit bekommen hat. Also doch nur das Baguette. Nun ging es wieder nach Deutschland ins Vogtland. Die Straßen in Tschechien waren nicht so sonderlich gut und wir mussten im Dunkeln unheimlich aufpassen, dass wir uns keinen Platten einfuhren. Im Vogland wurde es nicht sonderlich besser. Seit 21 Uhr mussten wir unsere Lichter einschalten und die Warnweste anziehen da es in den Wäldern zu dunkel war, um irgendetwas zu sehen. Ich hatte frühstens damit gerechnet, 22 Uhr die Beleuchtung zu installieren. Die nächste Kontrollfrage sollten wir in Adorf im Vogtland beantworten. Dort sollte hinter einer Bahnunterführung links ein Gedenkstein sein. Dort mussten wir das dort Geschriebene notieren. Danach ging es weiter und einige Rampen stellten sich uns noch in den Weg. Gegen Mitternacht hatten wir dann irgendwie einen ganz schönen Hänger (moralisch und körperlich). Die Abfahrten auf schlechten Straßen forderten unsere komplette Aufmerksamkeit und wir konnten uns nicht mehr richtig konzentrieren. Müdigkeit schlug nun erbarmungslos zu und wir konnten unserem Mitstreiter weder bergauf noch bergab folgen.
Tobias und ich entschieden eine Pause einzulegen. Dies konnten wir unserem Mitfahrer nicht mitteilen, da dieser immer 100m bevor wir ihn wieder einholten weiterfuhr. Wir suchten uns eine Commerzbank Filiale, um mal ein paar Minuten vor der hohen Luftfeuchtigkeit ins Warme zu fliehen. Dort legte ich mich einfach hin und wollte einfach mal für 20 min meine Augenlider von innen anschauen. 0:40 schaute ich das letzte mal auf die Uhr und als ich meine Augen wieder aufschlug war es 1:15 Uhr. Ich hatte eine gute halbe Stunde geschlafen (perfekt). Tobias hat sich derweil mit essen beschäftigt und versuchte nun auch etwas zu schlafen. Bis in den Schlaf schaffte es Tobias nicht aber bei etwas Ruhe erholt man sich vor allem Mental wieder etwas von den Stapazen.
Nach fast einer Stunde in der Commerzbank rappelten wir uns wieder auf und fuhren weiter. Ich füllte mich wie ausgewechselt, Tobias fühlte sich noch nicht wieder ganz so gut. Wir fuhren wieder über etliche Anstiege und irgendwann hollten uns auf einmal eine 3er Gruppe Radfahrer ein. Das war nur noch ein Teil von der Gruppe mit der wir in Bozi Dar starten aber nun waren wir auf einmal wieder zu fünft und die Abwechslung in der Gruppe zu fahren erleichtete uns das Fahren erheblich.
Der nächste Kontrollpunkt war um 3 Uhr in Werdau an einer Araltankstelle erreicht. Öffnungszeiten bis 22 Uhr. Also Nachweisfoto von der Hausordnung und weiter. Es ging nun an Zwickau vorbei und nach Glauchau. In Glauchau holten wir uns an einer Tanke jeder eine Cola und die nette Kassierin füllte unsere Wasserflaschen auf. Die nächste Kontrollfrage war in einem kleinen Dorf (Ziegelheim) zu beantworten. Die Frage lautete welche Biersorte der hiesige Gasthof bewirbt.
Der Gasthof hat sicher schon Jahre zu und den Wegweiser dahin gab es nicht mehr. Also suchten wir den Gasthof. Die erste Runde noch mit einem unserer Begleiter die 2. Runde nur noch ich und Tobias. Die anderen entschieden, dass ein Foto ausreicht.
Ich und Tobias erreichten den ehemaligen Gasthof und die Biersorte konnten wir notieren.
Nun hatten wir noch circa 65 Km bis Grimma vor uns. Es war nach 5 Uhr und wir rechneten mit weiteren 3 h bis zur Endkontrolle.
Nach 20 h “auf Achse” merkt man doch langsam, dass man nicht mehr ganz frisch ist.
Es ging am Rochlitzer Berg vorbei und in Rochlitz gegen 6 Uhr erreichten wir eine Bäckerei. Diese wollten uns kein richtiges Frühstück machen, da diese erst später öffnen und an dem Tag nur gebruncht werden konnte.
Einen Kaffee und ein Stück Kuchen konnten wir allerdings kaufen und so stärkten wir uns für die letzte Etappe bis Grimma.
Es ging nochmal über den Berg nach Colditz und obwohl wir bereits an der Mulde waren gings immer wieder aus dem Muldental heraus und wir mussten noch mehrere Male Anstiege fahren. Irgendwann waren wir dann tatsächlich in Grimma und in der Tankstelle hatten wir 435 Km absolviert. Wir gratulierten uns gegenseitig zum bestanden Brevet und tranken noch einen Kaffee und aßen noch ein Baguette.
Nun erreichten grad noch 2 Randonneure die Tankstelle, die wir schon lange im Ziel vermutet hatten.
Wir fuhren nun die letzten Kilometer bis Bennewitz die überraschend schnell gefahren wurden. 9 Uhr erreichten wir nach 23,5 h wieder Bennewitz und waren zufrieden mit uns.
Unsere zeitweiligen Begleiter waren bereits fast eine Stunde in Bennewitz und nach duschen und Zähne putzen aßen wir noch etwas und ich trank noch ein alkoholfreies Bier. Nun schlugen bei mir die Pollen zu. Meine Augen quollen auf und ich musste mit Augentropfen die allergische Reaktion unterbinden.
Tobias fur dann mit dem Zug heim. Ich musste mit dem Auto noch 1h 15min fahren. Die Heimfahrt werde ich nach solchen Anstrengungen in Zukunft nach einem Schläfchen machen. Meine Konzentrationsfähigkeit nach der Radfahrt war dermaßen schlecht, dass es extrem gefährlich war sofort heim zu fahren.
Was für eine Tour. Definitv schwerer als alles was ich bisher gemacht habe. Eine absolute Grenzerfahrung.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Berichte von Michael Gasch. Permanenter Link des Eintrags.

Über Michael Gasch

Ich bin an einem Maitag imJahre 1984 geboren und habe seitdem laufen, lesen, schreiben, rechnen, ... und unter anderem auch radfahren gelernt. Das macht mir in allen seinen Ausführungen Spaß. Ob auf Rennrad, Mountainbike oder Randonneur ist dabei egal hauptsache der Vortrieb stimmt. Ansonsten halte ich mich für nen netten Typ und habe immer zu wenig Zeit aber wem geht das nicht so.